Digitales Reifegradmodell für den ÖGD Wie die Digitalisierung der Gesundheitsämter vorankommt

Von Nicola Hauptmann 3 min Lesedauer

Anbieter zum Thema

Für die Digitalisierung des ÖGD werden Gelder bereitgestellt, aber nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt: Voraussetzung ist die Bewertung anhand eines digitalen Reifegradmodells, um Status und Fortschritte zu messen. Erste Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht.

Gesundheitsämter werden bei der Digitalisierung unterstützt:  Von knapp 300 im ersten Förderaufruf eingereichten Projekten wurden 263 für eine Förderung ausgewählt
Gesundheitsämter werden bei der Digitalisierung unterstützt: Von knapp 300 im ersten Förderaufruf eingereichten Projekten wurden 263 für eine Förderung ausgewählt
(Bild: M. Schuppich – stock.adobe.com)

Befunde per Fax, tagelange Verzögerungen – während der Coronapandemie wurden die Versäumnisse bei der Digitalisierung der deutschen Gesundheitsämter offensichtlich. Mit dem Bund-Länder-Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) wurden die dringend nötigen Veränderungen bereits angestoßen. Die vom Bund bereitgestellten Mittel in Höhe von 4 Milliarden Euro sind dabei an Zielvorgaben geknüpft, deren Einhaltung nachverfolgt wird.

Der größte Teil der Gelder ist für den Personalaufbau bestimmt, 800 Millionen Euro aber auch für die Digitalisierung des ÖGD – für die Schaffung interoperabler Standards und Schnittstellen, zentraler Tools und vor allem für ein Förderprogramm zum Ausbau der digitalen Infrastruktur. Voraussetzung für die Nutzung der Mittel aus diesem Programm ist die regelmäßige Bewertung des eigenen Digitalisierungsstandes nach einem wissenschaftlichen Reifegradmodell.

Dieses Modell (RGM) erlaubt die Bewertung der digitalen Reife in acht Dimensionen und dazugehörigen Subdimensionen:

  • Digitalisierungsstrategie: Definition, Kommunikation und Umsetzung, Verantwortlichkeiten und Budget
  • Mitarbeitende: Sensibilisierung, Partizipation und Schulungen
  • Prozessdigitalisierung: Dokumentation der aktuellen, auch fachdienstübergreifenden Prozesse und kontinuierliche Evaluation
  • IT-Sicherheit: IT-Sicherheitsmanagement, Umgang mit IT-Sicherheitsrisiken und Angriffen, Identitäts- und Zugangsmanagement
  • IT-Bereitstellung: Arbeitsplatz-Ausstattung, Organisation der IT-Beschaffung, Bezug von IT-Infrastruktur, Grad der IT-Service-Prozesse
  • Bürger:innenzentrierung: digitale und nicht-digitale Interaktion und die Möglichkeit, Präferenzen für Kommunikationswege zu setzen
  • Zusammenarbeit: innerhalb der Behörde, mit anderen Gesundheitsämtern und mit externen Einrichtungen
  • Software, Daten und Interoperabilität: technische Interoperabilität von Fachanwendungen, Möglichkeiten zur Datenanalyse und Berichterstattung, Datenschutz und Fehlermanagement

Der Erfüllungsgrad ist in die Stufen 0 bis 4 unterteilt: Für die Bewertung ist für jedes Kriterium anzugeben, ob es bereits erfüllt, in Umsetzung oder noch nicht umgesetzt ist. Ab 80 Erfüllung gilt eine Stufe als erreicht.

Zum digitalen Reifegradmodell

Im Rahmen des Projektes „Reifegradmodelle für die Digitalisierung der Gesundheitsämter“ (ReDiGe-Projekt) haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT), der Forschungsgruppe Digital Health der Technischen Universität Dresden und der Freien Universität Berlin das digitale Reifegradmodell (RGM) für den ÖGD entwickelt und evaluiert, dabei wurden über 60 Akteure des ÖGD einbezogen. Seit Mai 2022 steht das Modell den Gesundheitsämtern zur Verfügung.

Die erste Erhebung lief von Mai bis Juli 2022. Daran beteiligten sich 330 von knapp 380 Gesundheitsämtern in Deutschland sowie 36 weitere Einrichtungen des ÖGD. Bewertet wurde der Stand der Digitalisierung zum Stichtag 31. Dezember 2021. Die Ergebnisse wurden jetzt auf der Website des BMG „Gesundheitsamt 2025“ veröffentlicht.

Die erste Erhebung zum RGM zeigt den insgesamt geringen digitalen Reifegrad der Gesundheitsämter – aber auch, was möglich ist: Einzelne Institutionen erreichten bereits Reifegrade 3 und 4.
Die erste Erhebung zum RGM zeigt den insgesamt geringen digitalen Reifegrad der Gesundheitsämter – aber auch, was möglich ist: Einzelne Institutionen erreichten bereits Reifegrade 3 und 4.
(© Fraunhofer FIT / Projekt-Konsortium EvalDiGe)

Wie die Auswertung zeigt, stand das Gros der Gesundheitsämter zu diesem Zeitpunkt noch am Anfang der digitalen Transformation. Dabei fallen deutliche Unterschiede bei den einzelnen Kriterien auf: Die erste Stufe (0) wurde mit über 58 Prozent am häufigsten in der Kategorie „Mitarbeitende“ erreicht. In der Dimension der Zusammenarbeit erreichte knapp ein Drittel der Teilnehmer die Stufe 1, fast 53 Prozent die Stufe 0.

Ganz anders sieht es bei der Prozessdigitalisierung aus: Fast 90 Prozent erfüllten nicht die Anforderungen auch nur für die erste Stufe (bewertet mit -1). Das gilt auch für knapp 65 Prozent der Teilnehmer in der Dimension „Digitalisierungsstrategie“ und für über 50 Prozent in der Dimension „Software, Daten und Interoperabilität“.

Zweite Erhebung gestartet

Zusätzlich zur Bewertung des Ist-Zustandes mussten die Gesundheitsämter auch die Ziele angeben, die sie mit Hilfe der Fördermittel erreichen wollten, dazu heißt es im Ergebnisbericht zur ersten Reifegradmessung: „Die Zielformulierungen mussten dabei einen Anstieg der digitalen Reife um mindestens zwei Stufen in mindestens zwei Dimensionen des RGM anvisieren.“ Auch unter diesem Aspekt darf die zweite Erhebung mit einiger Spannung erwartet werden. Der zweite Förderaufruf zur Weiterentwicklung des digitalen Reifegrades im Öffentlichen Gesundheitsdienst läuft seit Anfang Mai.

Das Folgeprojekt zum Reifegradmodell

Aufbauend auf dem ReDiGe-Projekt setzt das Projektkonsortium derzeit ein Folgeprojekt um: Erfassung und Evaluation der digitalen Reife von Gesundheitsämtern" (EvalDiGe). Dessen Ziel ist es, Folgeerhebungen bis zum Jahr 2026 durchzuführen sowie das Reifegradmodell an die aktuellen Bedarfe anzupassen und weiterzuentwickeln. Dazu sollen Digitalisierungsprojekte analysiert und Interviews durchgeführt werden. Mit dem RGM soll zudem der fachliche Austausch der Gesundheitsämter untereinander ermöglicht werden.

(ID:48983472)

Jetzt Newsletter abonnieren

Wöchentlich die wichtigsten Infos zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung